Ich schreibe in meinen Texten oft von der Wichtigkeit, sich seiner Gedanken und Gefühle bewusst zu sein. Weil wir damit einen Teil unserer Realität erschaffen, indem wir entsprechend unserer Emotionen bestimmte Energie-/Frequenzmuster aussenden.
Alles hat seinen Platz. Die Gedanken ebenso wie die Gefühle.
Hast du mal beobachtet, was du am Tag so alles denkst?
Ich mache das in der letzten Zeit öfters und bin, ehrlich gesagt, erschüttert über die Quantität und Qualität meiner Gedanken. Der Gedankenstrom steht nie still. Nur in den Momenten, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf Körperempfindungen oder eine Tätigkeit richte, die meine volle Konzentration bedarf, nehme ich keine Gedanken wahr.
- Keine inneren Gespräche mit Menschen aus meinem Umfeld, mit mir selbst oder mit Innenanteilen,
- keine gedanklichen Wiederholungen von vergangenen Erlebnissen oder zukünftigen Tätigkeiten oder möglichen Geschehnissen,
- keine Gedanken darüber, was mich stört, verärgert und ich gerne anders hätte,
- keine Phantasien und Träumereien,
- keine Gedanken über die Erde, die Menschen und das Universum,
- keine Gedanken, woher ich komme und wer ich bin und
- keine Gedanken, wie sich Gefühle anfühlen.
Ja, du hast richtig gelesen. Ich denke darüber nach, wie sich Freude, Liebe, Angst, Wut, Vertrauen und Hingabe anfühlen. Ich bin ein absoluter Kopf-Mensch. Reflektieren, analysieren, ordnen, planen, visualisieren – das kann ich sehr gut. Und fühlen?
Auf der Gefühlsebene bin ich nicht so geübt. Ich nehme zwar Gefühle in mir wahr, bleibe aber nicht bei dem Gefühl, sondern rutsche mit meiner Aufmerksamkeit immer wieder viel zu schnell in meine Gedanken.
Mir wird gerade bewusst, wie wenig ich in meinem Körper als Ganzes lebe. Ich lebe eigentlich fast nur im Kopf. Das ist so, als würde ich nur ein einziges Zimmer in einem großen Haus bewohnen.
Irgendwann in meinem Leben habe ich mich von meinem Körper getrennt und bin seitdem scheinbar nicht mehr richtig in ihn zurückgekehrt. Meinen Körper spüre ich meist nur, wenn an irgendeiner Stelle etwas schmerzt, pulsiert, juckt oder brennt. Ich spüre nicht, wie die Lebensenergie in meinem Körper fließt. Und das sollte für uns als energetische Wesen doch eigentlich Standard sein, oder nicht? Also, dass man die lebendige Energie, die Lebensenergie, in seinem Körper fühlt. Um diese Energie zu fühlen, muss ich mich schon sehr konzentrieren. Und dennoch lande ich meist wieder im Kopf und stelle mir nur vor, wie sie durch mich fließt. Wie also fühlt sich dieser Energiefluss wirklich an?
Ich schließe also meine Augen, nehme wahr, wie ich atme, ruhig und gleichmäßig, spüre, wie ein Kribbeln durch die Waden in die Füße fließt, und mit einem leichten Schwindel meldet sich ein Angstgefühl in meiner Brust. Diesen Ablauf kenne ich gut. Das geschieht immer dann, wenn ich mit der Intention, meinen Körper bewusst zu spüren, in diesen eintauche. Und kaum ist die Angst da, verabschiedet sich automatisch meine Wahrnehmung aus dem Körper und zieht sich in den Kopf zurück. In die Welt der Gedanken. Ins Analysieren des Gefühls, in innere Vorwürfe, Anklagen und Verurteilungen, Bilder von schmerzhaften Erinnerungen, möglichen Erklärungen und so weiter… Dieser Strom nimmt meine Aufmerksamkeit und mich mit sich und, wenn ich es nicht stoppe, verliere ich mich manchmal für Stunden in dieser Gedankenwelt. In einer düsteren Welt aus Unterdrückung, Gewalt und Angst. Das ist nicht die Welt, in der ich leben möchte. Daher lenke ich meine Gedanken wieder bewusst in positive Vorstellungen. Und schon bin ich zurück in meiner schönen, lichtvollen Welt. Die in ihrer vollen Leuchtkraft jedoch nur in meinem Kopf existiert. In Wirklichkeit sehe ich die Welt um mich herum nur in matten Farben.
Um der düsteren Welt meiner Körpererinnerungen aus dem Weg zu gehen, meide ich intensive Körpergefühle. Sehr zum Bedauern meines Lebenspartners, denn auch Sexualität lebt von intensiven Körpergefühlen. Dieser Bereich unserer Partnerschaft wartet immer noch geduldig darauf, auch meinerseits gefüllt, belebt und geliebt zu werden. Ich danke meinem Lebenspartner sehr für seine Rücksichtnahme, Geduld und Kompromissbereitschaft in diesem gemeinsamen Lebensbereich. Er gibt mir die Zeit, die ich brauche, um mich diesem Bereich in meiner eigenen Geschwindigkeit anzunähern.
Trotz meines gedämpften Gefühlslebens hat sich mein Leben in den letzten Jahren wunderbar entwickelt. Zum Manifestieren von Zielen reicht offenbar das Maß, in dem ich Gefühle zulassen kann. Und doch ist mein Leben nicht vollständig. Da ist eine Leere in mir, die ich nicht wirklich füllen kann. Lange Zeit dachte ich, dass ich diese Leere mit einer bestimmten Lebensaufgabe füllen müsste. Diese habe ich allerdings bis jetzt noch nicht gefunden. Die Beschäftigung mit dem Themenkomplex meiner Gedanken und Gefühle bringt inzwischen immer mehr zum Vorschein, dass es gar nicht irgendeine Lebensaufgabe ist, die mein Leben vervollständigt. Nein, es ist der Zugang zu tiefen Gefühlen.
Solange ich nicht vollständig in meinem Körper zuhause bin, wird es auch nicht möglich sein, tief zu fühlen. Denn Gefühle entstehen im Körper und können nur dort wahrgenommen werden. So tief wie meine Gedanken gehen, so oberflächlich nehme ich meine Gefühle wahr. Was wäre alles möglich, wenn ich in der gleichen Tiefe fühlen könnte? Mein Leben wäre um ein Vielfaches intensiver. Und welches kreative Potential könnte sich daraus noch entfalten? Das öffnet noch einmal ganz neue Türen.
Wenn ich meine volle Schöpferkraft entwickeln möchte, führt mich der Weg unweigerlich in die vollständige Annahme meines Körpers. Seine Schönheit, als Wunderwerk der Schöpfung, seine Sinnlichkeit und Bedürfnisse und alles, was in seinem Zellgedächtnis gespeichert ist. Solange ich dies alles nicht anerkenne und weiterhin meinen Körper als demoliertes, unförmiges, schmutziges und fehlerhaftes Fortbewegungsmittel betrachte, das ich wenigstens mit einigermaßen gesunden Sachen füttere, damit es mich möglichst reibungslos weiter durch das Leben trägt, verwehre ich mir das, was Leben wirklich bedeutet. Nämlich das, was tiefe Gefühle erst ermöglichen. Ein farbenfrohes, sinnliches, tiefes Leben, in dem ich die Antworten nach dem Wer-ich-bin und Woher-ich-komme in mir fühlen werde; in dem ich alle Antworten im Leben fühlen und aus einem anderen, einem emotionalen Bewusstsein heraus agieren kann.
„Fühle tief und intensiv und lebe dein wahres Sein in dieser Welt“, höre ich von irgendwoher eine Stimme.
Meine Gedanken zeigen mir hier einen Schlüssel, wie ich meinem Leben endlich die fehlende Tiefe geben kann. Nun ist es an mir, die Türen zu meinen Gefühlen von Geröll und Spinnweben zu befreien. So unliebsam mir diese Aufgabe jetzt gerade erscheint… vielleicht entdecke ich beim Aufräumen sogar ein paar Diamanten und magische, wegweisende Krabbeltiere.
Ich werde viel Geduld mit mir selbst brauchen, um den oben genannten Automatismus, der meine Aufmerksamkeit immer wieder aus meinem Körper in den Kopf zieht, ausschalten zu können. Ein Jahrzehnte lang gefestigtes inneres Netzwerk, das zudem auch noch meinem Schutz dient(e), lässt sich nicht so einfach umformen.
Und Mut werde ich auch brauchen. Mut, mich der düsteren Welt in mir drinnen zu stellen. Gerade kommt es mir ein wenig so vor, als würden sich die Dämonen, die ich vor Jahren verbannte, bereits wieder die Krallen wetzen. Ihre sabbernden Fratzen erscheinen vor meinem inneren Auge und ich würde am liebsten schon wieder die Flucht ergreifen.
„Atme tief und ruhig. Du bist nicht allein. Auch die guten Mächte leben in dir und sie werden dir stärkend zur Seite stehen.“
Ok. Ich atme und gehe langsam Schritt für Schritt voran. Ich atme und fühle Angst. „Und jetzt laufe nicht weg. Bleibe da und schaue hin.“
Das ist leichter gesagt als getan.
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Foto: Christiane Walter