Nach fast zwei Jahren ist bei mir jetzt wieder das Thema Beziehung/Partnerschaft (genauer gesagt Liebesbeziehung) aufgekommen. Na ja, eigentlich schwingt das Thema permanent im Hintergrund mit, aber durch eine Begegnung mit einem Mann auf einer Internet-Plattform ist es jetzt wieder sehr präsent.
Diese Begegnung hat im Innen ein größeres Chaos ausgelöst. Nach der ersten Freude und kurzzeitiger Euphorie wurden Stimmen laut, die Zweifel und Ängste äußerten. Im Folgenden mal ein kurzer Ausschnitt aus der laufenden Innenkommunikation.
„Lass dich bloß nicht wieder auf eine Beziehung mit einem Mann ein. Wie soll denn ein gemeinsames Leben funktionieren? Das sind zu viele Umstellungen für uns.“ – „Wer weiß, was der erwartet oder gar fordert, was wir tun sollen?“ – „Und außerdem, mal ganz ehrlich, wenn der weiß, wie komisch du bist, will er dich sowieso nicht mehr.“ – „Ja, und dann geht er weg und kommt nie mehr wieder.“ – „Wir kommen auch super alleine zurecht. Wir brauchen niemanden.“
Mit Angst und Abwehr im Innen kann ich doch eigentlich nur Männer in mein Leben ziehen, die genau diese Ängste erneut bestätigen, oder nicht? Die Enttäuschung ist damit doch schon vorprogrammiert.
Also lieber wieder Abstand nehmen? Das stimmt mich innerlich traurig, weil die Vorstellung eines gemeinsamen Lebens so schön ist. Jemanden an meiner Seite zu wissen, mit dem ich mein Leben, meine Wünsche und Visionen, Freuden und auch Sorgen teilen kann, bei dem sich alle Ichs mit der Zeit auch ohne Angst zeigen können; und dem ich vertrauen kann, weil er ehrlich zu mir und auch sich selbst gegenüber ist. Kurz: ein Mann, der mich mit meinem konfusen Ich-System und den daraus resultierenden Alltagsschwierigkeiten akzeptiert, aber auch bestärkt und ermutigt, dass ich mich meinen Möglichkeiten entsprechend fordere und die Ängste überwinde; damit ich neue positive Erfahrungen machen kann und meine Wünsche und Ziele erreiche. Ich wünsche mir eine Beziehung ohne gegenseitige Ansprüche und Erwartungen; ein freies Miteinander, in dem jeder das entwickeln, ausdrücken und geben kann, was es für ein vertrauensvolles, glückliches gemeinsames Leben braucht. Ja, das ist meine Wunschvorstellung – zumindest in groben Zügen. Gibt es so jemanden da draußen? Kann ich selbst das überhaupt in der Form leben? Also in einer Beziehung leben ohne Ansprüche und Erwartungen von meiner Seite? Wie viele Menschen können das?
Und wie es mit so Wunschvorstellungen dann auch noch ist – man sieht natürlich nur die Schokoladenseiten. Eine Beziehung bedeutet neben der schönen Zweisamkeit und Unterstützung auch gegenseitige Rücksichtnahme, Grenzen erkennen und damit in einer konstruktiven Art umzugehen und auch die schrulligen Macken des Partners zu akzeptieren und diese vielleicht irgendwann sogar zu lieben.
Vieles in mir ruft noch immer nach der Befriedigung nicht-erfüllter Bedürnisse und ich befürchte, dass ich genau dafür einen Partner nutzen würde – als eine Art Lückenfüller für meine emotionalen Schwarzen Löcher. Vielleicht etwas weniger stark als noch vor drei Jahren, aber wahrscheinlich doch noch zu einem nicht unerheblichen Teil.
Puh… Diese Erkenntnis rollt gerade wie eine Flutwelle über mein kleines, romantisches Lagerfeuer und löscht dabei jede Träumerei in Richtung Partnerschaft. All das, was ich in mir vermisse und mir selbst nicht geben kann, würde ich nach wie vor beim Partner suchen. Ich wünsche mir, dass er die fehlenden Teile in mir ergänzt – in meinem Fall sind das Anerkennung, Nähe, Sicherheit, Motivation für schwierige Herausforderungen, Trost und Fürsorge. Vieles davon kommt von den kindlichen Ichs, denen das in der Kindheit gefehlt hat. Könnte ein Partner dieses Lückenfüllen auf die Dauer leisten, ohne nicht selbst zu kurz zu kommen? So kann doch keine Partnerschaft langfristig funktionieren, in der beide auch noch glücklich sind und ein erfülltes Leben miteinander führen. Das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Und momentan gibt es von innen ohnehin sofort Meldungen gegen so eine Form der Lückenfüller-Partnerschaft. Sie kommen von den Ichs, denen Autonomie äußerst wichtig ist. „Da soll bloß niemand glauben, dass wir nicht selbst für uns sorgen können!“
Solange ich mir also einen Partner wünsche, um durch ihn den empfundenen Mangel in mir auszugleichen, würden jegliche Annäherungsversuche von Innen sabotiert werden. Ich sollte wohl besser an mir selbst arbeiten. Und zwar, indem ich mich mit der Beziehung zu mir selbst befasse.
Wenn ich die Beschreibung meiner Vorstellung von Beziehung/Partnerschaft einmal auf mich und die anderen Ichs übertrage, wird es ganz schnell ganz dunkel.
Wann dürfen sich die Ichs, egal ob mit oder ohne Trauma-Erinnerungen, zeigen? Wer hört sich ihre Sorgen, Wünsche und Visionen an? Haben sie überhaupt noch welche oder wurden die schon vor langer Zeit aufgegeben? Gegenseitige Rücksichtnahme, Anerkennung und Akzeptanz sind zwar minimal vorhanden, aber Vertrauen suche ich vergebens.
Stattdessen wird immer noch erwartet, dass sich alle unterordnen und funktionieren, keine Wünsche äußern und sich schon gar nicht selbst auf die Schulter klopfen, wenn etwas gut gelungen ist. In dem Zusammenhang fallen mir gleich so Sätze ein wie „Eigenlob stinkt.“, „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ und „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“.
Ich erschrecke, wie tief diese Sätze in mir verankert sind. Und es gibt noch weitere Glaubenssätze und Vorgaben, die ich aus Familie, Schule und Gesellschaft verinnerlicht habe. Sehr gruselig. Die sind heute gar nicht mehr zeitgemäß und schaden sogar der natürlichen Entwicklung eines gesunden Selbstwert- und Körpergefühls und kreativen Denkens.
Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass ich in Bezug auf mich selbst schon ein gutes Stück geschafft hätte; dass ich besser mit mir und meinem Körper umgehe; dass ich mir selbst anerkennend begegne und Rücksicht auf Unsicherheiten und schlechte Tage nehme. Zumindest ist mein Selbstwert deutlich gestiegen. Das alles betrifft jedoch nur ein Ich. Die anderen sind gar nicht einbezogen. Ich schaue da zwar ab und zu mal kurz hin, aber dann auch ganz schnell wieder weg. Mir fehlt der Mut, ihre Geschichten anzuhören, sie in den Arm zu nehmen und ihnen Schutz zu gewähren. Stattdessen nerven mich ihre subtilen Signale im Hintergrund und ich ärgere mich darüber, wenn sie meine Pläne durcheinander bringen.
Letztendlich übernehme ich nicht selbst die Verantwortung für die Reduzierung der weißen Flecken meiner emotionalen Bedürftigkeit, sondern würde sie einem potentiellen Partner im Außen übertragen, indem ich mir von ihm wünsche, dass er die Bedürfnisse der einzelnen Ichs erfüllt.
Es ist mir ein Rätsel, wie das bei anderen Paaren funktioniert. Es gibt Menschen mit einer dissoziativen Identitätsstruktur oder auch mit anderen Beeinträchtigungen, die mit ihren Partnern zusammen leben, gemeinsame Kinder haben, ihren Alltag einigermaßen geregelt gestalten und nach außen eine glückliche Partnerschaft präsentieren. Ist das alles wahr – so, wie es nach außen dargestellt wird? Sind sie wirklich mit sich und mit dem Partner glücklich? Wie machen die das? Gibt es tatsächlich solche Menschen, die scheinbar selbstlos ihr Leben gemeinsam mit einem beeinträchtigten Menschen gestalten? Und die dabei auch noch ein erfülltes Leben führen? Greift hier vielleicht das Prinzip von Geben und Nehmen auf einer höheren Ebene und es gibt tatsächlich diese Verbindungen aus Liebe?
Für mich hat sich solch ein liebender, selbstloser Mensch leider noch nicht interessiert. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir selbst noch so fern bin und die Mehrheit meiner Ichs bindungsgestört sind. Oder habe ich ihn einfach nicht erkannt, weil ich im Moment der Begegnung für das Thema nicht offen war? Oder vielleicht ist eine Partnerschaft in Form einer Liebesbeziehung in meinem Leben auch einfach gar nicht vorgesehen. Wer weiß das schon?
Wie dem auch sei, ich werde erst einmal selbst eine gute Partnerin für mich und meine Ichs sein müssen, bevor wir den Schritt nach draußen wagen können – falls wir das dann überhaupt noch wollen.
Und eine nicht mögliche Liebesbeziehung schließt ja nicht gleichzeitig freundschaftliche Beziehungen aus. Das wäre doch schon mal ein Anfang. Wir können ja nicht nicht in Beziehung sein, denn wir beziehen uns im Grunde genommen ständig auf irgendwen oder -was.
Und in jeder Beziehung, egal mit wem, ist Kommunikation miteinander das A und O. Am besten eignet sich gewaltfreie Kommunikation, in der jeder den anderen wertschätzend anhört, bei sich selbst bleibend argumentiert und seine eigenen Bedürfnisse mitteilt.
Hach… in der Theorie ist das alles immer so einfach. *seufz*
Bild: Pixabay, kellepics (https://pixabay.com/de/composing-affe-frau-lachen-sepia-2925179/)
Diese Einstellung freut mich. 🙂
Und du weißt ja, gut Ding will Weile haben. 🙂
LikeGefällt 1 Person
Hallo 🙂
Das Leben mit einem Partner an der Seite kann durchaus sehr schön sein. Ich selber habe das Glück jemanden, schon einige Jahre, an meiner Seite zu haben. Jemanden der da ist und mich liebt wie ich bin. Aber nicht immer ist alles Friede-Freude-Eierkuchen… Es gibt Tage, manchmal sogar einige Wochen wo ich mich frage was diesen Menschen dazu bewegt den ganzen Stress mit mir und den Anderen in mir zu ertragen, auszuhalten und eben nicht zu gehen.
Ich kann den Wunsch nach einem Menschen an der eigenen Seite echt gut verstehen. Kein Mensch mag einsam/alleine sein. Ich glaube dafür sind wir nicht gemacht.
Aber ich bin mir sicher das es für einen jeden von uns einen „passenden“ Menschen gibt. Eine Seele die einen ergänzt. Die Kunst ist es wohl, diese eine besondere Seele zu finden. Ich denke schon das sich die Suche oder auch das Warten für diese besondere Seele lohnt.
Lg Mondkind
LikeGefällt 1 Person
Ja, ich denke auch, dass sich auf jeden Fall lohnt, den Menschen, die meinen Weg kreuzen, offen zu begegnen.
LikeLike
Hallo Christiane
Wow, da ist ja Jemand sehr gründlich in der Analyse von Beziehungen. Würde das ein potentieller Liebeskandidat lesen, würde er rennen ohne sich noch einmal umzudrehen oder dich in den Arm nehmen und heiraten. Je nach dem was er da heraus lesen würde. Oben am Anfang hast du das so schön beschrieben. Jeder lebt sich selbst, bleibt bei sich selbst und dazwischen lebt man seine Liebe. Darunter deine Befürchtungen, deine fehlende Anteile in ihm suchen zu wollen. Wenn du jetzt noch die Beziehung in die Gegenwart verlegst, dann wird sie wunderbar funktionieren. Wer Beziehungen im jetzt lebt, nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, der sieht genau was er tut. Mit deinem genauen Wissen um dich selbst, könntest du sehen, wenn du anfängst dich auf den anderen zu stützen. Könntest darüber reden und verändern. Insofern dein Gegenüber das selbe Wissen um sich in sich trägt. Daher würde ich sagen, Augen auf, Herz auf und dir selbst vertrauen.
Lg Robert
LikeGefällt 1 Person
Oohhhh, vielen Dank für die Worte. Sie geben Hoffnung und machen mir Mut, dem Ganzen immer mal wieder eine Chance zu geben. Augen auf, Herz auf und mir selbst vertrauen und vor allem im Jetzt leben – ja, dem stimme ich voll und ganz zu. In der Theorie ist mir so vieles schon klar. In der Praxis braucht es allerdings viel Übung, um nicht immer wieder in alte Muster zu fallen – besonders was Zwischenmenschliches betrifft.
LikeGefällt 1 Person
Du besitzt das Wissen, das Herz und das feeling alles andere funktioniert von ganz allein. Ich bin da ganz optimistisch bei dir.
LikeGefällt 1 Person
Danke. ❤
LikeLike
Bitte💚
LikeLike
Hallo Christiane, ich entnehme Deinen Zeilen, dass Du sehr streng mit Dir bist; vielleicht wird es etwas leichter, wenn Du auch für die Anteile, die sich eine Beziehung wünschen, Mitgefühl hast. Immerhin bist Du Dir Deiner Mechanismen sehr bewusst, scheint mir – das ist mehr als viele „gesunde“ Menschen von sich sagen können. Ich wünsche Dir jedenfalls, dass Du einen guten Weg für Dich findest! Viele Grüße, Merle
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, Merle, für deinen Kommentar. Ja, an dem Thema Mitgefühl arbeite ich. Damit tue ich mich allerdings noch ziemlich schwer. Und eine Beziehung im Außen ist ja nicht völlig ausgeschlossen. Bislang hat es nur einfach nicht gepasst. Aber wer weiß, welche Menschen mir noch begegnen. Vielleicht ist mal der Richtige dabei, mit dem alle Ichs einverstanden sind. Dafür müsste ich mich allerdings auch dem Leben draußen etwas mehr öffnen, unter Menschen gehen und mich nicht nur in meinem Kopf bewegen. 😉 Ich gehe in kleinen Schritten. Mein Motto ist: Lieber kleine Schritte als keine Schritte!
LikeGefällt 1 Person
Hallo Christiane, ich finde Dein Motto sehr gut, mir geht es mit vielen Ängsten ganz ähnlich. Ich denke, es ist wichtig, dass ich den Glauben an mich und mögliche Veränderungen nicht verliere. Ich glaube auch, dass die Beziehung, die wir zu uns selbst haben, die wichtigste ist und deshalb versuche ich, mich so intensiv wie möglich in Mitgefühl zu üben, das klappt auch nicht immer, aber immer besser. Viele Grüße, Merle
LikeGefällt 1 Person
Ja, genauso sehe ich das auch.
LikeLike